Die Normalität und die Leckerlies

Immer wieder taucht die Diskussion über eine leckerliefreie Erziehung/Dressur auf. Hast du schon einmal darüber nachgedacht? Ohne Futter zu arbeiten?
Kann man sich auf einen mit Leckerlie erzogenen Hund mehr verlassen als auf einen leckerliefrei erzogenen Hund? Ich möchte hier meine Gedanken und Erfahrungen zu diesem Thema teilen!

Eingangs muss ich gestehen, dass ich nie ein großer Leckerliefreund war. Ich hatte den Gedanken im Kopf, dass ein Hund aus Liebe und Freundschaft horcht. Heute bin ich mir darüber bewusst, dass auch ein Hund im Raster "lohnt es sich?" denkt, trotzdem war diese Vorstellung romantisch.

Mir gefiel der Gedanke nicht, dass mein Hund nur fürs Leckerlie hört, dass ich sie immer mitschleppen muss, meine Taschen und Finger danach riechen und mein Hund mir die Mittelkralle zeigte wenn ich sie einmal nicht dabei hatte.

Zusätzlich hatte ich einen Hund, der das Futter draußen anfangs verweigerte und auch auf Spielzeug nicht ansprach. So war ich eine Zeit lang beschäftigt meinen Hund auf Futter und Belohnungen zu konditionieren. Um diese relativ bald wieder ab zu bauen. Ich machte die Erfahrung, dass es für einen Hund schwierig sein kann sich um zu gewöhnen.

Immer wieder habe ich nach Alternativen gesucht. Mein erster Schritt war die Einführung eines Futterbeutels. Das bedeutet, dass nicht mehr das Futter die bloße Belohnung war, sondern eine Aktion die mit Futter verknüpft war. Dieser indirekte Zusammenhang sagte mir mehr zu und machte auch meinem Hund Spaß! Er bekam nicht nur ein Leckerchen in die Schnute geschoben, sondern bekam wirklich Aufmerksamkeit durch das kurze Spiel mit Futterzusatz.

 

Aber es ließ mir keine Ruhe, ich bin überzeugt davon, dass man Hunde leckerliefrei erziehen kann und so startete ich erste Versuche! Ich fand heraus, dass es natürlich frustrierend  für einen Hund ist, der es gewohnt ist bestimmten Aufforderungen für Futter zu folgen, diese plötzlich ohne dieser Belohnung zu auszuführen. Aber ich mich machte auch die Erfahrung, dass umgekehrt ein Hund, welcher etwas ohne Futterbelohnung lernt dies auch ohne Futter frustrationslos ausführt!
Ich begann meinem Hund einfach "nebenbei" Wörter bei zu bringen. Z.B. lernte er Namen in Verbindung mit Personen die kamen und konnte sie zuordnen, sodass ich ihn auch hinschicken konnte. Andere Worte welche er lernte waren "langsam" und "andere Seite". Ich sagte es einfach dazu wenn mein Hund bspw. neben mir lief oder die Seite wechselte, korrigierte ihn mit Handzeichen wenn er davon abkam oder zeigte ihm was ich wollte, lobte ihn teilweise verbal und gab ihn dann wieder frei. So lernte er nach und nach die Bedeutung der Worte. Kein Leckerlie lenkte ihn vom Geschehen ab, er erwartete nichts. Er tat es einfach, weil es gerade so sein sollte. So wie er gelernt hat ohne zu ziehen an der Leine zu gehen. Das ist einfach so, kein aber oder warum und keine Erwartung an Belohnungen. Einem Kind, das lernt bei Rot stehen zu bleiben reiche ich auch nicht immer ein Zuckerl?!

Es ist etwas was für mich und ihn völlig normal ist, zu unserem Alltag gehört und so behandeln wir es auch. Es ist wie eine soziale Regel. Ich gebe ihm auch kein Leckerlie, dafür dass er nicht an mir hochspringt und er nichts vom Tisch klaut. Obwohl es für den Hund ein Lernschritt ist wie die Übung Sitz.

 

Ich bin der Meinung, dass wir durch die Leckerlieverteilung unseren Hunden vermitteln, dass es etwas besonderes ist. Ich übe mit allen Hunden Tricks, damit meine ich unterhaltsame, "sinnlose" Aufgaben wie Pfote geben oder totstellen, mit Leckerlies. Das soll etwas besonderes sein, eine Unterhaltung für Mensch und Hund das ich bewusst als etwas besonderes einführe.  Sowie ein Spiel oder Eis essen mit einem Kind. Aber die Dinge, die zum Alltag gehören, von denen ich mir wünsche, dass sie völlig normal und ohne wider ausgeführt werden belohne ich nicht (z.B. Zuckerl dafür, dass das Kind jeden Tag brav in die Schule geht, ruhig sitzt und seine Hausaufgaben macht oder eben an der Straße bei Rot wartet). Ich behandle sie so normal und nebenbei wie ich sie später haben will.

 

Beno hat auf diese Weise gelernt, bei Gehsteigkanten selbstständig stehen zu bleiben, langsam neben mir zu gehen - was einem lockeren "Fuß" gleichte und die Seite zu wechseln. Das meiner Meinung nach allerwichtigste Kommando in der Hundeerziehung "Stop" (bleibe wo du bist, so lange bis ich es auflöse) bzw, "Warte" (bleibe wo du bist, bis ich auch wieder auf deiner Höhe bin)  hat mein Hund auf diese Art gelernt. Einfach nebenher, ohne Leckerlie, mit Aufmerksamkeit und verbalem Lob. Diese Kommandos waren die zuverlässigsten die mein Hund beherrschte, ich konnte mich immer darauf verlassen. Er hat gelernt - ok, das ist jetzt so. In diesen Dingen übergab er die Entscheidung mir, es stellte sich im nicht die Frage, ist mir das jetzt ein Leckerchen Wert sondern er wusste, oh - da ist jetzt dies oder jenes gefragt. Frauchen wird schon wissen, warum das jetzt so ist!

Bei meinem Pflegehund habe ich diese Erfahrungen von Anfang an genutzt und ihm auch die gängigen Tricks wie liegen, und sitzen ohne Leckerlies beigebracht. Es hat wunderbar funktioniert. Auch er führt die Dinge zumeist sehr zuverlässig ohne Nachfrage ob es nun lohnend ist aus und freut sich über Aufmerksamkeit und Freigabe als Belohnung! Ich habe sogar den Eindruck, dass er viel aufmerksamer ist! Auch bei Beno hatte ich das Gefühl, dass er ab unserer leckerliefreien Kommunikation interessierter war und sich selbstständig mehr umorientierte.

 

Natürlich sind in gewissen Dingen Futterbelohnung unverzichtbar bzw. beschleunigen den Erfolg. Ich jedoch habe mir mitgenommen abzuwägen wie wichtig ein schneller Trainingserfolg im Vergleich zu einem anhaltendem und wirklich verlässlichem Erfolg ist!
Und, die Erfahrung, dass meine Hunde viel zufriedener wirkten wenn sie die Entscheidungen nicht immer selbst treffen müssen, sie abhängig von der Belohnung machen und zeitweise frustriert über unerwartete Reaktionen sind!

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