Auslastung und Überlastung...

Einem Hund muss man gewachsen sein. Man muss mehrere Stunden täglich draußen sein, ihn beschäftigen, Ball spielen, er darf eigentlich gar nicht alleine sein,... Wenn er Probleme macht, unruhig ist, ist er bestimmt unterfordert und muss mehr bewegt und beschäftigt werden!

Besonders Hüte-, Jagd-, Arbeitshunde müssen vom Welpenalter an gefordert und auf allen Ebenen stundenlang ausgelastet werden!...

Ist das die ganze Wahrheit? Was ist dran an dieser Geschichte? Wie sieht es mit dem Schlafbedürfnis eines Hundes aus? Wo ist die Grenze zwischen Aus- und Überlastung? Was bedeutet Erziehung zur Ruhe?

Lange war ich kein Fan von Border Collies, Schäferhunden, Terriern,... Dabei bin ich jemand der eigentlich jeden Hund mag und ihm Respekt zollt! Aber bei diesen Hunden gab es einen Unterschied zu anderen. Der Großteil der Hunde dieser Rassen die ich kennen lernte waren sehr unruhige, gestresste Hunde, die zu Verhaltensauffälligkeiten neigten. Egal ob Balljunkie (dazu folgt ein extra Beitrag), Autojäger oder Kläffer. Sie konnten einfach nicht still halten und ich dachte lange es läge an der Rasse!

Heute weiß ich mehr. Im Grunde ist es eine Erziehungssache! Leider ist die Meinung sehr verbreitet, dass ein Hund mindestens 2-5 Stunden am Tag Gassi gehen muss, natürlich ohne Leine damit er toben kann. Dazwischen braucht er Unterordnung auf der Wiese und in einer Hundeschule, Balljagden und zusätzlich rassespezifische Angeboten wie Hüten für Border Collies, Schutzhundesport für Schäferhunde und Fährtenarbeit oder Agility für Terrier und Co. Die Beispiele lassen sich beliebig kombinieren.

In meinen Augen führt diese Handhabung oft zur restlosen Überforderung eines Hundes, besonders wenn dieser rasse- und/oder charakterbedingt zur "Hyperaktivität" neigt.

 

Sehen wir uns die Sachen einmal von einer anderen Seite an. Ein gesunder erwachsener Hund schläft 17-20 Stunden am Tag. Natürlich ist das auch rasseabhängig und es gibt genügend Hunde die nicht einmal an der Unterseite dieser Schätzung kratzen, weil sie einfach nicht in der Lage sind sich zu spüren und zurückzunehmen. Ich finde das erschreckend und erkenne einen Teufelskreis. Ein Hund der von Haus aus unruhig ist, von klein auf "hochgepusht" und "ausgepowert" wird, keine eigenen körperlichen Grenzen wahrnehmen lernt bzw. diese wahren kann und zusätzlich viel zu wenig schläft hat meiner Meinung nach ohne Unterstützung seiner Halter keine Chance aus dieser Überforderung wieder hinaus zu kommen.

Man kennt das auch von Kindern. Ein Baby oder Kind, das schon sehr müde ist, ist dann oft besonders aufgekratzt und will/kann nicht schlafen. Es ist reizbarer, unruhiger, weniger selbstkontrolliert und "überdreht". Bei vielen Hunden ist das ein Dauerzustand, welcher von den Haltern im Glauben dem Tier etwas gutes zu tun gefördert wird indem der überdrehte (leider oft gleichgesetzt mit unterforderte) Hund weiter bespaßt wird in der Hoffnung er würde irgendwann müde werden.

 

In meinen Augen ist es bei Gebrauchshunderassen oder Hunden mit unruhigem Grundcharakter besonders wichtig von Beginn an auf genügend Ruhezeiten wertzulegen. Denke an die 17-20 Stunden Schlaf- bzw. Ruhebedürfnis. Ein Hund der körperlich oder geistig viel leistet, jung, krank oder gestresst ist braucht umso mehr Ruhe um die Erlebnisse zu verarbeiten und dem Körper Zeit zur Regeneration zu bieten.

Manchmal ist es dazu notwendig, den Hund zu bremsen, aus einer Situation herauszuholen und zur Ruhe zu "zwingen" indem ich ihm keine anderen Möglichkeiten (pausenlose Ansprache, Spiele, stundenlange Spaziergänge, Ablenkung durch Spielzeug... dies spielt auch in meinem Artikel "Das leidige Alleinbleib-Thema" eine Rolle) biete. Wichtig ist auch nicht immer auf ihn einzusteigen und diese Ruhe speziell zu trainieren und einzufordern. Es beruhigt mich, dass in Foren mittlerweile diese Meinung auch schon vertreten wird!

 

Gerade bei Verhaltensauffälligkeiten wird auch von Hundetrainern oft Unterforderung festgestellt. Sie empfehlen Bewegungstherapien, wie stundenlanges Radfahren oder Ballspielen mit Tennisschläger, laufen am Laufband, den Hund körperlich richtig fertig zu machen... (-hier stelle ich leider auch in Frage wie gesund eine solche Therapie auf lange Sicht ist...). Ganz oft ist dies genau die falsche Richtung. Viele Vehaltensauffälligkeiten kommen durch genau diese Überforderung zustande, zu viel Aktion, zu wenig Ruhe, der Hund weiß nicht wohin mit sich und es entstehen Übersprungshandlungen oder extreme Verhaltensweisen wie Autojagen und Balljunkies. Dadurch der Teufelskreis. Hund schläft zu wenig - kommt nicht zu Ruhe - ist umso aufgekratzter - schläft wieder weniger...

Hier brauchen viele Hunde ganz einfach nur Struktur und Ruhezeiten die konsequent eingehalten bzw. trainiert werden. In manchen Fällen evtl. noch ein Alternativverhalten... Aber oft ist eine Auffälligkeit im Verhalten des Hundes einfach ein Anzeichen für Überforderung und Reizüberflutung mit zu wenig Ruhe! Manchmal auch ein Spiegel für den Menschen : )

Als Input möchte ich dir mitgeben einmal ein oder zwei Tage zu beobachten wie ruhig, entspannt dein Hund eigentlich ist. Schläft er viel? Läuft er dir oft nach? Lenkst du ihn ab wenn er unruhig, überdreht ist oder versuchst du evtl. auch ihn in solchen Situationen noch mehr auszupowern?... Beobachte dein Verhalten und das deines Hundes, daraus kannst du viel lernen und sehen wo ihr vielleicht sogar noch "Verbesserungs"potenzial habt bzw. du deinem Hund eine Unterstützung sein kannst!

 

In diesem Sinne wünsche ich deinem Hund und dir eine entspannte Zeit mit einem stetigen Auge auf das Ruhebedürfnis deines Vierbeiners (und auf deines :))!

 

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